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Ueber Hypokras



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  • Hypokras
  • Andreas Morel:

    Aus der Hellkunde stammt unbestritten der Name fuer den gewuerzten Wein. Nicht direkt mit Hippokrates, dem beruehmten griechischen Arzt des fuenften vorchristlichen Jahrhunderts, steht er in Zusammenhang [...], sondern mit einem Utensil, der Manica Hippocratis, Chausse d'Hippocrate oder dem Hippokrates-Sack. Wir haben uns darunter einen textilen Filter vorzustellen, der aufgrund seiner Gestalt und spezifischen Verwendung zum Instrumentarium des Arztes gehoerte. 'Hippokrates' steht demnach in den angefuehrten Wortverbindungen als Synonym fuer 'Arzt'. Dieser 'Arzt-Sack' kam bis in neuere Zeit - zum Teil tatsaechlich mit dem modifizierten Namen Hypokras-Sack - in der Schlussphase der Hypokras-Herstellung zum Zuge. Nachdem der Rotwein einige Zeit mit den im Moerser zerstossenen Gewuerzen mazeriert hatte, wurde er mehrmals durch den Sack passiert. Der Sinn dieses Vorgangs war ein doppelter: Der Wein wurde filtriert, kam aber aufgrund der mehrfachen Wiederholung dieses Prozesses weitere Male intensiv in Kontakt mit den vom Sack zurueckgehaltenen Aromaten. [...]

    Und in der Schweiz? [...] Als eine Zuercher Delegation mit Buergermeister Heinrich Reust an der Spitze 1487 zum Kirchweihbesuch nach Altdorf reiste, wurde sie von ihren Urner Gastgebern waehrend drei Tagen geradezu fuerstlich traktiert. An Getraenken wurde kredenzt: Malvoisie, Klaret, Hypokras, Veltliner und Elsaesser. Conrad Gesner (1608) ueberliefert die Verwendung zusammen mit geroestetem Brot: "Und dieser Hypokras wirt mehrtheils morgens zum Imbiss gegeben in den kostlichen und guten Maeleren mit gebeetem Brott anstelle einer Tracht oder des Voressens". [...]

    In Basel gehoerten Herstellung und Handel seit jeher zu den verbrieften Rechten der Gewuerzhaendler (1523 bestaetigt). Es ist bezeichnend, dass in ihrem angestammten Quartier um das Imber-[Ingwer-]Gaesslein ein Haus 'zum Hypokras' benannt war (1666). Hypokras gehoerte zu den beliebten Ehrengaben der Stadt Basel, aus besonderem Anlass vergeben und selbst von hochrangigen Gaesten wie der Infantin Isabella, Gemahlin Erzherzog Albrechts von Oesterreich, geschaet. In Basler Buergerhaeusern wurde Hypokras seit dem 18. Jahrhundert selbst hergestellt. Die meisten uns bekanntgewordenen Basler Rezepte verwenden praktisch die naemlichen Zutaten: Wein, Zucker, Nelken, Muskat (Bluete oder Nuss) und Zimt. Vergleicht man das in Muelhausen 1811 notierte Rezept der M. Spoerlein mit dem 450 Jahre aelteren Taillevents, stellt man mit Verblueffung nur relativ geringfuegige Unterschiede fest. Sie betreffen weniger die Ingredienzien denn deren Mengenverhaeltnisse zueinander, naemlich (bei Spoerlein) sehr viel weniger Zimt, etwas weniger Zucker und keine Paradieskoerner. Ziehen wir schliesslich die Rezepte von 1877 zum Vergleich heran, wird eine generelle Entwicklung in der Kochkunst des 19. Jahrhunderts deutlich: vom dominant gewuerzten und stark gesuessten zum qualitativ hochstehenden Wein, der vorsichtig gezuckert und ebenso differenziert wie ausgewogen gewuerzt wird. Dazu kommt eine wesentliche Aenderung in der Zubereitungstechnik: Der Zucker wird nun mit den Gewuerzen in wenig (billigerem Weiss-)Wein durch Erhitzen aufgeloest und nach dem Erkalten mit dem ungekochten 'echten, rothen, dicken Roussillon' vermischt'. Der Hypokras zaehlt zusammen mit Fastenwaehen und Blancmanger zu den Inkunabeln ortstypischer Esskultur, die baslerische Eigenart auf exemplarische Weise widerspiegelt [...]

    (*) Basler Kost - So kochte Jacob Burckhardts Grossmutter, Die Rezepte von Frau Deputat Schorndorff herausgegeben und kommentiert von Andreas Morel, mit Beitraegen von Dieter Lendorff, Hans Georg Oeri, Rudolf Suter und Therese Wollmann, Photographien von Martin Buehler, 178. Neujahrsblatt Herausgegeben von der Gesellschaft fuer das Gute und Gemeinnuetzige, Schwabe&Co A, Verlag, Basel, ISBN 3-7965-1426-X.

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