Die Edelkastanie gehoert zur Familie der Buchengewaechse. Der Baum
wird bis zu 35 m hoch. Die aelter werdende Rinde des Stammes bildet
tiefe Risse. Die Blaetter sind lanzettlich, gestielt, am Rande
stachelig gezaehnt. Die Blueten stehen in kleinen Knaeueln vereinigt
in grosser Anzahl auf Spindeln. Bluetezeit: Mai bis Juni.
Je 2 bis 3 von einer braunen Schale umgebene Fruechte sind in eine
vierklappige, aussen mit weichen Stacheln besetzte Huelle
eingeschlossen. Fruchtreife: Oktober.
Man findet die Edelkastanie in grossen Bestaenden im
Mittelmeergebiet, im Tessin und im Bergell in Waeldern. Noerdlich der
Alpen kommt sie nur vereinzelt in Gebieten mit besonders mildem Klima
vor. Zur Verwendung kommen die braunen Fruechte, die wir als
Kastanien oder Maronen kennen. Sie sind nur gekocht geniessbar.
Die Kastanie gehoerte noch im letzten Jahrhundert im Kanton Tessin wie
Hirse und Mais zu den Grundnahrungsmitteln. Die Fruechte wurden - mit
einem Einschnitt versehen, im Wasser gekocht, oder zu Mehl
verarbeitet, als Suppe gegessen.
In den kulturgeschichtlichen Buecher werden unter den Berufen die
Kastanienbrater - marronai - aus der mittleren Leventina und dem
Bleniotal angefuehrt. Aus anderen Ueberlieferungen ist bekannt, dass
auch in den Taelern des Sottoceneri und im nordwestlichen Luganese
Maenner als Marronibrater von November bis vor Ostern in die
Deutschschweiz, nach Mailand, Florenz und vornehmlich nach Paris
auswanderten und damit den Unterhalt fuer ihre Familie verdienten.
Die Fruechte wurden von ihren Frauen und Kindern quasi vor der
Haustuere aufgelesen.
Die Tessiner Kueche kennt verschiedene Arten der Verwendung von
Kastanien nebst den Castagne arrostite, den gebratenen Marroni. Sehr
verbreitet sind die gekochten Kastanien, die in leicht gesalzenem
Wasser zubereitet werden. Sie werden warm gegessen, die Schale wird
aufgebissen, die Frucht herausgesogen.
Im Maggiatal wird aus Kastanien- und Roggenmehl ein Kastanienfladen
(Fiascia o castagnaccio), dessen Teig man gebacken auftischt,
hergestellt. Kastanienmehl, in eine Backform auf die Herdglut
gestellt, ergibt Biskuits. Die Altvordern der Taeler machen aus
Kastanienmehl, welches in kochendes Salzwasser eingeruehrt wurde und
dann dreissig Minuten auf dem Feuer stehenblieb, einen Brei, den sie,
zusammen mit Milch, aus der Pfanne loeffelten. Lecker ist eine mit
Kastanienmehl zubereitete Suppe, der man feingeschnittene,
getrocknete Steinpilze, Speckwuerfelchen, in Butter geroestete
Brotbroesmeli und etwas Rahm beigibt.
Geroestete Kastanien:
Die Kastanien mit einem spitzen Messer auf der flachen Seite
kreuzweise einritzen. In eine Gusspfanne geben und im vorgeheizten
Backofen bei 200 Grad etwa 10 Minuten roesten. Die Pfanne immer
wieder ruetteln. Geroestete Kastanien schmecken ausgezeichnet zu Wein
oder vergorenem Apfelsaft.
* Quelle: im wesentlichen aus Oskar Marti, Ein Poet am
Herd, Herbst in der Kueche Hallwag, 1994
ISBN 3-444-10433-2 Erfasst von Rene Gagnaux