Josef Imbach: In italienischen Kochbuechern habe ich lange - und
vergeblich! - nach dem Rezept fuer dieses Gericht gesucht, das ich in
der huebschen Trattoria Er tartuffo (Der Trueffel) kennen und
schaetzen lernte [...]. Es handelte sich um einen kleinen
Familienbetrieb, in welchem gleich drei padroni, und zwar leibliche
Brueder, ihre Gaeste wahrhaft koeniglich bewirteten [...]. Das Rezept
habe ich den dreien erst nach wiederholten Besuchen und nicht ohne
grosse Ueberredungskunst entlocken koennen. Sie konnten mir sogar
Auskunft darueber geben, nach welchem Nachfolger des heiligen Petrus
dieses Gericht benannt ist (Tortellini alla papalina bedeutet:
Tortellini, wie der Papst sie mag), naemlich nach Pius XII. Als
Kardinal war dieser hin und wieder zu Gast in der roemischen
Trattoria La Cisterna und ass dort gerne die besagten Tortellini. Als
Kardinal Pacelli dann unter dem Namen Pius XII. zum Papst aufgerueckt
war, gab man dem Gericht zu seinen Ehren den Namen 'alla papalina'.
Das Rezept:
Die getrockneten Steinpilze eine Stunde in lauwarmem Wasser
einweichen, dann in ein Sieb geben und gut durchspuelen. Grosse
Stuecke werden geteilt.
Inzwischen die Tortellini in reichlich Salzwasser al dente kochen.
Die feingehackte Schalotte zusammen mit den Steinpilzen in einem Topf
in der heissen Butter kurz anschwitzen, die Sahne dazugiessen, salzen
und pfeffern und alles kurz aufkoecheln. Parmesan unterziehen und die
abgetropften Tortellini dazugeben. Den Topf vom Feuer nehmen und das
verquirlte Eigelb daruntermischen; es darf nicht stocken, sondern
soll die Sauce nur binden. Sofort auf angewaermten Tellern servieren;
frisch geriebener Parmesan steht auf dem Tisch.
(1) Josef Imbach: Wie sie vielleicht wissen, gehen die Ansichten der
Theologen in einigen Fragen manchmal etwas auseinander. Was aber den
Gottesgelehrten recht ist, halte ich auch in der Kueche fuer billig.
Deshalb wollen wir uns jetzt nicht darueber streiten, ob wir den
'Tortellini alla papalina' nicht doch noch etwas Schinken hinzufuegen
sollten. Vom Standpunkt der sogenannten Situationsethik aus betrachtet
scheint es mir naemlich nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten,
das Rezept etwas zu modifizieren, falls die Gaeste (wie Goethe in
einem etwas anderen Zusammenhang sagt) "einen grossen Magen" haben.
In diesem Fall schneide ich noch vier nicht zu duenne Scheiben
Schinken in kleine Stuecke und gebe sie, zusammen mit der Schalotte
und den Steinpilzen, in die heisse Butter - vor allem dann, wenn ich
die Tortellini alla papalina nicht vor dem Hauptgang, sondern als
Hauptgericht serviere.
* Quelle: Nach:Josef Imbach,Kueche, Kirche, Kochgenuesse
Wuerzburg, Echter, 1994 ISBN 3-429-01624-X
Erfasst von Rene Gagnaux