Für
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Die Monate mit "r" haben wieder angefangen, es ist Muschelzeit.
Muscheln sind aeusserst nahrhaft, kalorienarm und lecker. Aber sind
Muschelgerichte bei der heutigen Meeresverschmutzung nicht auch ein
kulinarisches "russisches Roulette"? Diese bange Frage geht dem
kritischen Muschelesser immer mal wieder im Hinterkopf herum.
Tatsache ist: Muschelvergiftungen kommen vor, und jede zehnte
verlaeuft toedlich. Tatsache ist aber auch, dass keine einzige
derartig schwere Vergiftung, die durch Algentoxine hervorgerufen
wird, bei uns durch den Verzehr von Miesmuscheln in den vergangenen
Jahrzehnten bekannt geworden ist.
Wenn man bei uns im Restaurant Muscheln bestellt, ist durchweg die
Miesmuschel gemeint, was keineswegs abwertend zu verstehen ist, denn
"mies" war im Mittelalter der Ausdruck fuer bemoost. Was wie Moos
aussieht, sind Algen, die die Muschelschalen bedecken.
Mehr als 100.000 Tonnen der kleinen Tiere werden jaehrlich in Europa
verzehrt, 60.000 Tonnen kommen allein aus Holland, ein weiterer
Grosslieferant ist das deutsche Wattenmeer. In der Oosterschelde ist
der groesste "Muschelacker". Diese Bezeichnung ist durchaus
angebracht, denn die Miesmuscheln werden regelrecht angebaut und
geerntet. Jungmuscheln werden als Brut auf Baenken ausgesaet, die in
Parzellen aufgeteilt sind. Ein Jahr spaeter koennen sie vom Kutter
aus abgeerntet werden. Danach werden sie ausgiebig gewaschen,
verpackt und sofort verfrachtet, um moeglichst frisch beim
Verbraucher anzulangen, denn die Ware ist aeusserst leicht
verderblich. Dank der heutigen Kuehltechniken ist dieser Aspekt des
Muschelgenusses unbedenklich. In frueheren Jahrhunderten war in der
waermeren Jahreszeit, also den Monaten ohne "r", allerdings schon das
Frischhalten kaum zu gewaehrleisten.
Der andere Grund fuer die traditionelle Muschelabstinenz im Sommer
sind die Algentoxine. Das bereits erwaehnte Algengift wird im Falle
einer Algenbluete in den Sommermonaten von den Muscheln aufgenommen
und macht diese ungeniessbar, ja sogar regelrecht gefaehrlich. Jede
kleine Miesmuschel filtert mit ihrem komplizierten Lamellensystem bis
zu 50 Liter Meerwasser in der Stunde, um daraus Plankton als Nahrung
aufzunehmen. Dabei reichert sie automatisch im Falle der Algenbluete
auch deren Gift in ihrem Inneren an. Und natuerlich auch andere
problematische Substanzen, die im teilweise stark belasteten
Nordseewasser geloest sind, wie z.B. die Schwermetalle Blei und
Cadmium, Pestizide oder Salmonellen und Kolibakterien. Die Tiere
selbst sind gegen die Gifte ziemlich resistent und bauen sie
teilweise auch wieder ab.
Durch strenge, laufende Laborkontrollen muss sichergestellt werden,
dass nur Exemplare gefischt werden, die aus moeglichst wenig
belasteten Gewaessern stammen und ausserdem zum Zeitpunkt der
Entnahme in einwandfreiem Zustand sind. Diese Kontrollen werden in
Deutschland von den Veterinaeraemtern und in Holland von den
Fischereibehoerden seit zwei Jahrzehnten staendig durchgefuehrt. Die
Ergebnisse der Untersuchungen sind eher beruhigend. Das gefaehrliche
Algengift wird ebensowenig nachgewiesen wie Salmonellen oder
mineralische Schmutzstoffe. Nicht nur die Muscheln selbst, sondern
auch das Plankton, das ihnen als Nahrung dient, wird besonders
gruendlich untersucht. Hierbei geht es vor allem um die toxischen
Dinoflagellaten, die im seltenen Fall einer Algenbluete auftreten und
dann dem Muschelesser unmittelbar gefaehrlich werden koennten. Wegen
des recht kalten Wassers in der Nordsee ist mit ihrem massiven
Auftreten jedoch nicht zu rechnen, zumal die Muschelsaison sich bei
uns ja auf die beruehmten "r"-Monate beschraenkt, also die
Sommermonate ausklammert. In Laendern wie Spanien, Portugal und
Frankreich ist hingegen das ganze Jahr Muschelsaison und das Risiko
potentiell entsprechend hoeher. Die Pestizidwerte bei den oben
genannten Muscheluntersuchungen liegen weit unter den zulaessigen
Hoechstwerten im Bereich zwischen ein und zwei Tausendstel Milligramm
pro Kilogramm Muschelfleisch. Ebenfalls unter den Richtwerten - wenn
auch leider nicht immer ganz so deutlich - liegen die Ergebnisse fuer
Schwermetalle. Diese Angaben sind Mittelwerte, die Werte koennen im
Einzelfall natuerlich auch anders aussehen.