Wanderer, kommst du nach Muenchen, dann schimpfe nicht gleich ueber die
"Seppl" und die ungezaehlten Umleitungsschilder. Sondern mach zuerst einmal
Brotzeit. Die Brotzeit ist naemlich nach altbayerischer Meinung nicht nur
die schoenste, sondern vor allem auch eine Zeit, zu der man sich unbedingt
Zeit nehmen soll. Denn der Gott, der Eisen wachsen liess, tat dies nicht
bloss, damit man Aufschlazuender daraus mache, sondern zuvoerderst einmal
Messer und Gabel. Und er schuf schliesslich zum Besteck auch noch das
Tellerfleisch und den Schnittlauch, die Milzwurst, das Bries und die
Weisswurst. Bevor du aber, Fremder, die "Bayerischen Bananen" oder ein
anderes Muenchner Schmankerl deinem geschaetzten Zerwirkgewoelbe zufuehrst,
lies die nachstehenden kleinen Weisswurst-Weisheiten. Und du hast mehr vom
"Imbiss", der "Jause" oder der "Vesper" in Muenchen.
Die Weisswurst wurde nicht com weltbekannten Komiker Weiss-Ferdl, sondern
Anno domini 1857 von dem tugendsamen Metzgergesellen Sepp Moser im Gasthaus
"Zur Ewigen Lampe" zufaellig erfunden. Fuer den Verzehr der Weisswurst
gelten seit dieser Zeit folende eherne Gesetze: Die Weisswurst soll das
Zwoelfuhr-Laeuten nicht hoeren, weil sonst das Wurstbrat fade und
unansehnlich wird, was den Genuss sehr beeintraechtigt, da nach
einheimischen Vorstellungen auch das Auge mitisst. Weisswuerste bestellt man
nicht paar- sondern stueckweise. Man isst sie entweder, indem man die Haut
vom Ende her mit Daumen und zeigefinger halb abzieht und die Wurst dann in
den Senf taucht, oder man kann sie mitsamt der "Montur", der Haut,
verzehren. Auch das "Auszuzln" ist absolut tafelfaehig. Wenn man die
Weisswurst hingegen zum Zwecke des Tranchierens in der Mitte durchschneidet,
muss die Schnittflaeche als Qualitaetsbeweis ein "Haeuberl" machen. Beim
Essen muss sie aus der Haut schluepfen. Wer die Weisswurst der Laenge nach
aufschneidet oder einen franzoesischen Senf dazu nimmt, ist ein Barbar.
Sagen die Muenchner. Zur Weisswurst wird weder Sauce noch Salat gegessen,
sondern suesser bzw. Meerrettich-Senf. Ausserdem gehoert das leider in
Muenchen immer seltener werdende riesige Riemische oder das Maurer Loawe,
aus dem bekannten Loawedoag gemacht, dazu. Oder die resche Brezn. Jedoch
nicht die ins Bayerische zugewanderte "Schrippe" oder gar der Aschinger
"Knueppel". Als Weisswurstgetraenk empfiehlt sich das Weiss- oder
Weizenbier, mit einer ganzen runden Scheibe Zitrone als Einlage drin. Merke
dir jedoch, Tourist, Gast oder Zuagroaster, dass der groesste Feind einer
frischen Mass oder Halbe das Fett ist. Verwehre also deiner "Blonden
Reifenpanne", der Sekretaerin, der Urlaubsmieze und sogar der leibeigenen
Gattin- sofern sie ihren Rosenmund mit dem in Stangenform gegossenen
Scharlach bemalt hat- strikte den schaeumenden Kelchesrand und bestelle ihr
eine eigene Halbe. Denn selbst die geringste Beruehrung mit Oel oder Fett
laesst das Bier entsetzt zusammenfallen, so dass es dich hernach mit einem
beleidigten, tueckischen Auge truebe anblickt.
Jeder Ureinwohner und gelernte Brotzeit-Macher wird sich deshalb auch ohne
Verletzung der Tafelsitten nach dem Wurstgenuss mit dem Handruecken ueber
den Mund fahren, bevor er das flueussige Brot zu sich nimmt.
Wer aber dabei glaubt, er sei vom "Thekenwart" beim Einschenken schlecht
bedient worden, blase zuerst einmal langsam einen Kontrolltrichter in den
weissen Schaum und lasse dann gegebenenfalls von der Bedienung nachschenken.
Eine Muenchner Kellnerin wird das nicht uebelnehmen, denn sie ist an solche
Auftraege gewoehnt. Oder aber sie troestet den Gast mit dem ortueblichen
Spruch:"Der Schankkellner braucht wieder amoi a nei Hos'n."
Wer sich an diese Brotzeit-Statuten haelt, der kann sicher sein, dass ihn
sein bajuwarischer Tischgenosse oder Nachbar mit grossem Wohlgefallen
betrachtet oder gar bald freundlichst "an Guat'n..." wuenschen wird, woraus
der Fremdling schliessen darf, dass er schon auf dem besten Wege ist, ein
"gelernter" Bayer zu werden.
Wie die Weisswurst entstanden ist.
Es war der Moser Sepp, der am fruehen Morgen des Fastnachtssonntags 1857 mit
seinen Metzgerburschen im spaerlich erleuchteten Schlachthaus in seinem
Gasthof "Zum Ewigen Licht" damit beschaeftigt war, nicht zu geringe Mengen
an Brat fuer die Bratwuerste herzurichten. Als es soweit war, dass die
Daerme ueber die Wurstspritze gestuelpt werden sollten, da stellte es sich
heraus, dass es ewig nicht die richtigen waren. Viel zu dick waren sie. Die
paar Meter duenne wurden schnell gefuellt, dann stand der Sepp vor einer
schier unloesbaren Aufgabe, die er so loeste, dass er die dicken Daerme
einfach zu doppelten Bratwuersten einfuellte.
Als dann am Sonntag die Gaeste von der Kirche kamen, liess er die dicken
Wuerste im Herrenstueberl servieren, nicht ohne zu bemerken, dass man duer
die angesehenen Buerger was Besonderes auf den Tisch bringe. Die
Begeisterung war gross. Auch der Fachmann, der Metzgermeister Mannhart vom
Thiereckgassl, beteiligte sich an der angeregten Unterhaltung, nur
konstatierte er:"Das Brat muass a wenig fester sein, die Wurscht muass an
Biss ham, Sepp, tua no was von de ogfiesltn Knoibsknocha nei, na werns
recht!" Und das tat dann auch der Moser-Sepp. Auch Petersilie und
abgeriebene Zitronenschalen kamen dazu und verfeinerten die ERfindung. So
kam die Wurst abermals auf den Buergertisch und fand schnell Beifall. Der
Zivilarzt Buchner vom Rindermarkt probierte ebenfalls, ihm gefiel besonders
die "reine weisse Farbe" daran, die, wie der Sepp erklaerte, von dem
gekochten Kalbfleisch herkaeme. Damit hatte auch die Wurst ihren Nahmen,
der seitdem in viele fremde Sprachen uebersetzt, aber doch nur in Muenchen
den richtigen Klang hat. Merke slao: Weisswurst, Geburtsdatum: 22. Februar
1857, Geburtsort: "Ewiges Licht".